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Ruhe im Gebläsekasten

Vor einigen Tagen verabschiedete sich mein Gebläse für den Innenraum – einfach so.  Natürlich war bestes Regenwetter (Murphy wollte es so) und dementsprechend wies mich eine von innen deutlich beschlagene Scheibe recht schnell auf den Defekt hin. Es stand also die erste Reparatur ins Haus….

Erstmal mit offenem Fenster und gefühlten 2° Außentemperatur nach Hause und mal das Internet (bzw die üblichen Mercedes-Foren) befragt, was es für Ursachen geben könnte.

Achtung : Wie bei jedem Beitrag zu Reparaturen in diesem Blog erfordern auch die im folgenden Text beschriebenen Arbeiten entsprechendes Wissen, Fachkenntnis und geeignetes(!) Werkzeug. Gerade Teile unter Spannung wie Schraubfedern können bei ungewollter Entspannung enorme Kräfte entwickeln und so zu einer ernsten Gefahr für Leib und Leben werden! Der folgende Text ist keine Anleitung sondern nur eine Beschreibung, wie ich es gemacht habe – nachmachen auf eigene Gefahr.

Es wurde schnell klar, das die Gebläsemotoren gerne mal den Dienst quittieren, aber als Neuteile nach wie vor problemlos zu bestellen sind (gibt unterschiedliche Varianten). Aber sicher, das es der Motor ist, der das Zeitliche gesegnet hat? Was sagen die Sicherungen, der Vorwiderstand bzw der Schalter für die Lüfterstufe?

Systematische Fehlersuche – Check der Sicherungen

Am nächsten Tag habe ich mich daran gemacht, den Grund für den Gebläseausfall zu finden. Wie weiter oben beschrieben gibt es mehrere Gründe, warum aus den vorgesehenen Öffnungen im Armaturenbrett kein Lüftchen mehr kommt. Mit einem Digitalmultimeter habe ich als erstes alle Sicherungen durchgemessen (für das Gebläse im W124 sind lt. Reparaturhandbuch bzw. Bedienungsanleitung nur die Sicherungen 7 und 12 von Bedeutung, aber da ich gerade das Multimeter in der Hand hatte habe ich auch alle anderen Sicherungen im Kasten gecheckt).

Ok, die Sicherungen sind alle in Ordnung, wäre als nächstes der Schalter für die Lüfterstufen fällig. Da ich aber nicht die Mittelkonsole zerlegen wollte, hab ich die Spannung direkt hinter dem Vorwiderstand gemessen. Aufgabe des Vorwiderstandes ist es, je nach Schalterstellung den Strom unterschiedlich zu begrenzen, was wiederum die Drehzahl des Gebläsemotors beeinflusst (bei kaputtem Vorwiderstand arbeitet das Gebläse nur noch auf Stufe 4).
Da durch den niederohmigen Vorwiderstand viel Wärme erzeugt wird, haben die Ingenieure von Mercedes-Benz das gute Stück im Motorraum auf der Beifahrerseite direkt unter der Frontscheibe platziert. So ist eine ordentliche Kühlung gewährleistet und der kleine Kerl stirbt nicht vorschnell den Hitzetod.

Gut, zurück zur Messung : Der Schalter für die Gebläseregulierung wie auch der Vorwiderstand verrichten Dienst nach Vorschrift, mit dem Digitalmulitmeter konnten anhand der angezeigten Spannung alle Lüfterstufen reproduziert werden. Bleibt als mögliche Fehlerquelle nur noch die Zuleitung vom Vorwiderstand zum Motor (unwahrscheinlich) oder der Motor selber (99,99% Wahrscheinlichkeit). Soweit so gut…

Ich habe dann mal versucht, das Gebläse bzw den Motor freizulegen. Dank Internet gibt es bebilderte Anleitungen (anscheinend direkt von Mercedes-Benz), wie man bei der Demontage vorzugehen hat (Google ist dein Freund 😉 ), auf jeden Fall müssen die Abdeckungen im Motorraum an der Windschutzscheibe weg (waren wg der Messung am Vorwiderstand eh schon abgebaut) und auch der Einarmwischer muss für die Dauer der Schrauberei seinem angestammten Platz verlassen.

Als der Gebläsekasten nach ca 30 Minuten freigelegt war, gab es erstmal ein dummes Gesicht…..

Eine Nachrüst-Klimaanlage namens Diavia

Ok, da war ein Kasten, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der Gebläsemotor drin stecken wird.. Aber er hatte weder Ähnlichkeit mit den Bildern, die ich im Internet gesehen hatte, noch war er von Mercedes-Benz. Auf dem Kasten stand nur “Diavia”. Nie gehört.

Gut, es wurde eh so langsam dunkel und daher habe ich alles wieder soweit zusammengebaut und wieder einmal Google bemüht.

Nach der Recherche in den üblichen Foren kam heraus, das es bei Diavia um einen Hersteller von Nachrüstklimaanlagen handelt. Ok, das Coupe hatte also keine Klima ab Werk. Circa eine Stunde später wusste ich auch, das man zum Wechsel nur vom Innenraum an den Motor rankommt, was den Ausbau des Armaturenbrettes bedeuten würde – das fehlte mir gerade noch 🙁
Die letzte Information die ich an dem Abend herausfand war, das Diavia mittlerweile von Dometic-Waeco geschluckt worden ist. Fix dem Kundendienst noch eine Email geschickt und nach evtl. noch vorhandenen Unterlagen für die Nachrüstklima im W124 gefragt. Dann war der Tag auch schon zu Ende.

Am nächsten Morgen war um 08:15 bereits eine Antwort im Posteingang inklusive PDF der Installationsanleitung – das nenne ich mal einen vorbildlichen Service! Beim obligatorischen Morgen-Kaffee habe ich das ausgedruckte PDF genauer studiert in der Hoffnung um den Ausbau des Armaturenbrettes herum zu kommen.

Was willst du mit der Säge? Sprich!

Zwei Stunden und diverse Tassen Kaffee später ging es wieder an das Coupe, und wieder habe ich den Gebläsekasten im Motorraum freigelegt. Obwohl ich alle Schrauben, die den Deckel halten, gelöst hatte (10 an der Zahl, teilweilse durch Blech verdeckt, das erst entfernt werden musste) konnte ich den Deckel einfach nicht nach oben abziehen. Das umgebende Metall lässt einfach zu wenig Platz um die Haube abnehmen zu können.

Die letzte (zugegebener Weise rabiate) Möglichkeit, doch noch im Motorraum an den Motor zu kommen kam von einem Forenuser den Abend vorher, der mir riet den Gebläsekasten einfach aufzusägen.

Gesagt, getan – 15 Minuten später hatte ich dank einer scharfen Japansäge + eines Cutters eine Serviceluke in die Abdeckung geschnitten, welche mir endlich den Zugang zum Motor ermöglichte.

Totgesagte leben länger

Bevor das Gehäuse weiter aufgesägt wird, wollte ich doch noch testen, ob der Motor vielleicht nur Anlaufprobleme hat (genau den Fehler hatte auch schon mein Gebläselüfter im W202 Kombi, da waren die Kohlen + Abnehmer an der Achse total verwarzt).

Und siehe da, nach einem kleinen Schubser mittels Schraubendreher fing der Motor an, wieder klaglos seinen Dienst zu verrichten – Glück das ich doch nicht das Amaturenbrett ausgebaut habe 🙂

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt, ich habe mit Bremsenreiniger die Achse bzw Stromabnehmer gereinigt und mehrmals die Funktion des Motors danach getestet – einwandfrei. Kleine Ursache – große Wirkung.

Deckel zu, Gebläse tot.. ähm… läuft

Da ich den Deckel sauber aufgeschnitten hatte war es überhaupt kein Problem, ihn wieder einzusetzen. Dank etwas Lochband und Blechschrauben konnte ich den Deckel wieder an seinen angestammten Platz montieren, schwarzes Acryl sorgt für eine Versiegelung/Abdichtung  der Schnittkanten (wär aber nicht nötig gewesen, da der Kasten ja eh oben offen ist).

Da die Verkleidungen um den Gebläsemotor eh alle abgebaut waren, habe ich sie vor dem Wiedereinbau mit Kunststoff Allzweckreiniger optisch wieder auf Vordermann gebracht. Positiver (und natürlich gewollter) Nebeneffekt ist die Pflege der 26 Jahre alten Kunststoffe und Dichtlippen an der Frontscheibe.

Danach alles wieder zusammengebaut, einmal überpoliert und Voilá – als ob nie was gewesen ist. Bei dieser Reparatur hat sich doch mal wieder gezeigt, wie wertvoll das Internet bzw die W124 Foren / Community ist. Dank diverser Tips bin ich zügig vorangekommen und letztendlich bewahrte mich ein eher unkonventioneller Vorschlag auch vor dem Ausbau des Armaturenbretts… 🙂


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